Museum Ludwig
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Schultze Projects #3 Minerva Cuevas
05.11.2021 - 30.11.2024
Ausstellung
Beschreibung
Anlässlich der dritten Ausgabe der Reihe Schultze Projects hat Minerva Cuevas (*1975 in Mexico City) ein neues Werk speziell für die große Stirnwand im Treppenhaus des Museum Ludwig geschaffen. Der Name der Reihe bezieht sich auf Bernard Schultze und seine Ehefrau Ursula (Schultze-Bluhm), deren Nachlass das Museum Ludwig verwaltet und zu deren Gedenken seit 2017 alle zwei Jahre eine künstlerische Position eingeladen wird, eine großformatige Arbeit für die prominente Wand im Treppenaufgang anzufertigen.Das fast fünf Meter hohe und annährend fünfzehn Meter lange Wandrelief besteht aus 48 einzelnen quadratischen Tafeln. Zusammen formen sie eine Szenerie, in der unter anderem die Firmenlogos von Deutsche Bank, Mastercard, BNP Paribas, Barclays, Kredyt Bank S.A., ING-DiBa, Commerzbank und ANZ (Australia and New Zealand Banking Group) zu erkennen sind. Zeichenhaft stehen diese für eine alles durchdringende Ökonomie. Mitunter bedienen sich diese Logos einer an die Natur angelehnten Symbolik, wie das Bild des Löwen der ING-DiBa Bank, der als „König der Tiere“ wohl die Überlegenheit über alle anderen Banken signalisieren soll. Ähnlich wie bei dem kopfüber ins Bild ragenden Adler von Barclays handelt es sich auch bei der Raubkatze um ein bevorzugt verwendetes Wappentier, das Stärke und Macht repräsentiert. Diese aus der aktuellen Finanzwelt stammenden Motive kombiniert Cuevas mit präkolonialen symbolischen Repräsentationen von Gottheiten aus dem mittelamerikanischen Raum, die sich größtenteils in der Sammlung des Nationalmuseums für Anthropologie in Mexico City befinden. Zu sehen sind etwa von links nach rechts die Skulptur einer stilisierten Fledermaus (nach der Maya-Gottheit Camazotz), eine Schlange, eine lediglich mit einem Lendenschurz bekleidete Rückenfigur, ein Hund (nach der aztekischen Mythologie um Auitzotl), ein am Boden liegender Fisch sowie ein Affe an einer Liane aus der Jama-Coaque-Kultur. Fast die gesamte Höhe des Bildes nimmt im rechten Teil ein abstrahierter Maya-Kakaobaum ein.
Was haben diese auf den ersten Blick vielleicht disparat erscheinenden Elemente miteinander zu tun? Über den Titel des Reliefs von Minerva Cuevas, The Enterprise, lassen sich einige lose Fäden spannen. Manche werden vielleicht zuerst an das gleichnamige Raumschiff in der US-Fernsehserie Star Trek denken. Nicht nur futuristische Fiktion, sondern auch konkrete Expansions- oder Kolonisierungsaktivitäten schwingen mit, denn die US-Raumfahrtbehörde NASA gab dem 1977 erstmals erprobten Prototypen für die Raumfähren aus ihrem Space-Shuttle-Programm den gleichen Namen. Hierzu passt auch, dass sich „Enterprise“ im Deutschen als „Unternehmung“ und „Unternehmen“ übersetzen lässt. In der Kombination von beidem scheinen wir der eigentlichen Thematik des Reliefs näher zu kommen. Denn verschiedene Formen ökonomischer Unternehmungen aus unterschiedlichen Zeiten prallen hier unvermittelt aufeinander. Neben den erwähnten Emblemen aus der Bankenwelt finden sich mit dem Kakaobaum und den auf den Affen und den Fisch gerichteten Pfeilen außerdem Verweise auf frühe – indigene – Formen wirtschaftlichen Handelns, landwirtschaftlicher Aktivität und der Jagd. Bei längerer Betrachtung des Reliefs tritt die koloniale ökonomische Ausbeutung früher Gemeinschaften und ihrer Kulturen immer deutlicher in den Vordergrund.
In diesem Sinne ist die aktuelle, speziell für das Museum Ludwig entstandene Arbeit eine logische Fortsetzung der Themen und Vorgehensweisen, mit denen sich Minerva Cuevas in den letzten zwei Jahrzehnten beschäftigt hat. Denn die Künstlerin ist bekannt für ihre recherchebasierten Projekte, die sie in Form von Installation, Performance, Video und Malerei ausstellt. Ihr Interesse gilt wirtschaftlichen und ökologischen Fragestellungen und deren soziopolitischen Verflechtungen. Sie untersucht beispielsweise, welche Rolle große multinationale Firmen in der Nahrungsmittelindustrie spielen und wie in diesem Zusammenhang mit natürlichen Ressourcen umgegangen wird. Dabei sind ihre Werke oft humorvoll und ironisch. Immer wieder nimmt sie auch konkret Bezug auf die Orte und Situationen, im Rahmen derer ihre Arbeiten entstehen. So funktioniert der durch den Kakaobaum hergestellte Verweis auf die Produktion von Schokolade auch als Anspielung auf die Geschichte des Museum Ludwig – entstand doch die Institution 1976 durch die Schenkung von Peter und Irene Ludwig, deren Vermögen sich in erster Linie der multinationalen Produktion und dem Vertrieb von Schokolade verdankte.
Bereits für die Jubiläumsausstellung zum 40-jährigen Bestehen des Museum Ludwig entstand eine Arbeit in Referenz auf die Peter und Irene Ludwig Stiftung, die 1982 als Ludwig Stiftung für Kunst und internationale Verständigung GmbH gegründet wurde. Hierfür entwarf Minerva Cuevas eine Installation aus einem schwarzen rechteckigen Holzgerüst mit roten, gelben und blauen Farbakzenten, die in ihrer Komposition an das abstrakte Gemälde von Piet Mondrian Tableau I (1921) erinnerte. Dessen Ankauf durch die Stadt Köln war 1967 sehr umstritten. Heute zählt es zu den Highlights der Sammlung des Museum Ludwig. In der Installation, ähnlich wie in einigen ihrer anderen Arbeiten, beschäftigt sich die Künstlerin mit dem gesellschaftlichen Potenzial und den Auswirkungen künstlerischer Praxis. In diesem Sinne begreift Minerva Cuevas Kunst als aktiven Beitrag zu sozialen Veränderungen. Für ihre bisweilen großformatigen Werke bedient sie sich immer wieder auch der Sprache der Werbung, das heißt konkreten Markenlogos, die sie jedoch meist signifikant verändert. Ihrer kritischen Vorgehensweise folgend verdeutlicht Minerva Cuevas mit ihren unterschiedlichen Arbeiten die negativen Auswirkungen der Konsumwelt und der wirtschaftlichen Ausrichtung menschlichen Handelns auf Gesellschaft und Umwelt.
Über die Schultze Projects
Seit 1968 haben Bernard Schultze und seine Ehefrau Ursula (Schultze-Bluhm) als Künstlerpaar in Köln gelebt und gearbeitet. Über Jahrzehnte waren sie eine feste Größe im kulturellen Leben der Stadt und dabei dem Museum Ludwig stets in besonderem Maße verbunden. So beherbergt das Museum einen Großteil ihres künstlerischen Nachlasses. Mit seinen seit Beginn der 1950er Jahre entstandenen Arbeiten zählte Bernard Schultze zu den Pionieren des Informel in Deutschland. Das groß angelegte Werkformat war für sein Spätwerk ein zentraler Aspekt. Es stellt den substanziellen Bezugspunkt für die zu den Schultze Projects eingeladenen Künstler*innen dar.
Kurator: Yilmaz Dziewior